Junge Redakteur:innen: Club ü31

von Annalena Gebauer

„Keine Klarheit nie“ beginnt eigentlich schon vor der ersten Szene, nämlich wenn man als Zuschauer:in nicht, wie gewohnt, auf den gepolsterten Sesseln im Parkett oder Rang, sondern auf der Hinterbühne, mit Blick in den Saal, Platz nimmt. Aus diesem ungewohnten Perspektivwechsel heraus wird dem Publikum dann sogleich von den Spielenden eine pointierte Reflexion des Zuschauer:in-Seins aufgetischt: Sich durch Sitzreihen quetschend, hüstelnd und dann Bonbon lutschend, geduldig in der Beobachter:innen-Rolle verharrend, bis jemand die Bühne betritt. Die Szenencollage des ‚Club Ü31‘ hinterfragt Theater – was es leisten kann, wie es sein sollte, warum wir hingehen. Immer wieder erkennt man sich dabei in den skizzierten Charakteren wieder, die teilen, was sie motiviert, am Geschehen auf der Bühne teilzunehmen und mit welcher Erwartungshaltung sie dort zusammenkommen. Dass dem Stück eine genau Analyse des Benehmens und der Innenwelten der Theatergänger:innen vorausgegangen sein muss, zahlt sich aus, denn die subtile Komik, die den Abend trägt, trifft immer genau ins Schwarze – nicht zuletzt aufgrund des fabelhaften Gespürs der Darsteller:innen. Diese schlüpfen zwar in verschiedenste Rollen, bewahren sich dabei aber, so wirkt es zumindest, stets einen Teil der eigenen Person, wodurch das Spiel der Truppe ehrlich aus dem Leben gegriffen und zugleich so liebenswürdig daherkommt, dass es eine Freude ist, zuzusehen.

Doch „Keine Klarheit nie“ ist nicht nur Satire, weitere Szenen verhandeln durchaus ernst den Abgleich von Theater und Realität (wer will schon sehen, wie die Dinge wirklich laufen, wenn dramatisch aufgeplusterte Illusionen so viel spannender sind?). Oder auch die Frage, inwiefern das Theater Ort der Gegenwartsreflexion und -kritik sein muss und politischen und gesellschaftlichen Debatten Raum bieten sollte, anstatt einfach nur Alltagsflucht zu sein. Eindeutige Antworten sollte man sich allerdings nicht erhoffen. Dass es gar nicht gewollt ist, diesem Anspruch gerecht zu werden, verrät schließlich schon der Name des Stücks. Der Inszenierung von Simone Neubauer tut dies jedoch keinerlei Abbruch, denn auch unvollendete Gedankenanstöße finden im modernen Bühnensetting, das ohne viel Tamtam auskommt, genügend Nachhall. Es wird nicht versucht, die Gegebenheiten des Bühnenraums durch aufwändige Kulissen zu verwandeln, nein, über die besondere Rezeptionssituation wird zu keinem Zeitpunkt hinweggetäuscht und auch Musik und Requisiten bleiben zweitrangig. Eben jenes Spiel, das sich damit befasst, was das Theater im Kern ausmacht, kommt ohne viel illusionistische Bühnenmagie aus – ausgerechnet!

„Keine Klarheit nie“ endet mit dem Blick in das hell erleuchtete Auditorium des Schauspiel Leipzig. Zum Schluss wird klar: Obwohl über die Funktionen des Theaters gestritten und seine Praxis ordentlich aufs Korn genommen wird, ist das Stück letztendlich eine schmunzelnde Liebeserklärung an das Theater. Und eine gelungen unpathetische noch dazu.


Annalena ist Teil der Jungen Redakteur:innen – ein junges Schreibkollektiv, das Artikel rund um das Festival ClubFusion schreibt.