Junge Redakteur:innen: Wilde Bühne Ensemble
von Lilith Michaelis
In Uterus
Es geht um die Menstruation. Also zumindest fünf der 28 Tage, die einen Zyklus ausmachen. Aber dass die ca. 60 ml Blut, die eine menstruierende Person während der Periode verliert, nur die Spitze des Eisbergs ist, scheint weniger bekannt zu sein. Gut, dass es die Wilde Bühne am Theater der jungen Welt gibt. In ihrem Stück “Bluten”, kollektiv erarbeitet unter Lara Tacke und Veronique Nivelle, führen uns die zehn Darsteller*innen durch alle Phasen des Zyklus. Sie selbst arbeiten dort in einer Fabrik, die dafür sorgt, dass alles funktioniert, wie es soll, vom Heranwachsen des Follikels über den Eisprung bis hin zum großen Krampf.
Und hierbei werden alle Register gezogen. Trockene biologische Erklärungen erscheinen durch Gesang und schlagfertige Dialoge auf einmal gar nicht mehr langweilig, es wird getanzt, aufgeklärt, mit Gerüchten aufgeräumt, es wird auch mal wütend und scharf, wie auch ehrlich und persönlich.
"Bluten" bekam eine unfassbar positive Resonanz und das zu Recht. Um mich herum Menschen, die über das ganze Gesicht strahlten, manche vielleicht vor Erleichterung und andere, weil das Stück einfach einen Riesenspaß machte, ja beizeiten geradezu absurd wurde. Aber eben dieser Mut zur absoluten Eskalation schafft es, all die Scham, die Mystik und den Schmerz, die mit der Menstruation untrennbar verwoben sind, Ausdruck zu verleihen und dabei eine offene Fassade zu behalten und nicht in etwas abwehrendes abzurutschen. Dazu trägt auch der vergleichsweise diverse Cast bei, der von Menschen im Schulalter bis hin zur Rente reicht und wo jede Stimme etwas eigenes, wichtiges beiträgt.
Sicherlich gibt es Themen, die nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen; wer eine ernsthafte Abrechnung mit dem tief in unsere Geschichte eingebetteten Unterdrückungssystem der Gesundheit von Frauen rechnet, wird vielleicht enttäuscht werden und auch psychisch komplexe Themen wie Kinderwunsch oder Krankheitsbilder werden ausgeklammert.
Aber das zu verzeihen fällt nicht schwer unter den eigens geschriebenen Liedtexten, der live gespielten Schlagzeugbegleitung, der kreativen Bühnengestaltung und all dem Witz und Charme, der die Periode auf einmal ganz leicht und bewältigbar erscheinen lässt.
"Bluten" ist nicht nur ein Erlebnis, es ist auch lehrreich, es ist berührend und es ist etwas, zu dem jeder einen Zugang finden kann. Und das bei einem doch leider nach wie vor so aufgeladenen Thema hinzubekommen, ist wirklich nicht einfach.
Lilith ist Teil der Jungen Redakteur:innen – ein junges Schreibkollektiv, das Artikel rund um das Festival ClubFusion schreibt.