Junge Redakteur:innen: Club ü31

Louisa schreibt über "Paare bei IKEA" ClubFusion 2025

"Der ganz normale Wahnsinn“ oder einfach nur das Leben

IKEA ist eine Welt der Träume. Eine Welt, in der Erwachsene wieder zu Kindern werden und sich austoben, ihren Ideen freien Lauf lassen und sich frei entfalten können.

Ein Spielplatz für Erwachsene.

Ein Besuch lässt Fantasie aufleben, Möglichkeiten entdecken und Sehnsüchte erwecken. Das Leben noch ein bisschen bunter werden, die Beziehung fester und das gemeinsame Zuhause harmonisch. Oder? Sechs Paaren folgend, die sich in die Tiefen des Möbellabyrinths trauen und ihre Beziehungen einer ungeplanten Prüfung aussetzen, stellt das Stück „Paare bei IKEA“ genau diese Frage: Was ist es, was dieser Ort unendlicher Möglichkeiten, Ideen und Visionen mit uns macht? Aufgeregt und erwartungsvoll schaut das Publikum auf den warnend roten Teppich, der sich vor ihnen ausbreitet. Mittendrin sitzen auf bunten Sitzbällen identisch in weißen Overalls gekleidete Personen und lesen in Einrichtungsmagazinen. Ein Bild der Kontraste und Konfrontation. Einheit und Uniformität gefangen und eingezäunt in einer farbenfroh-verspielten Außenwelt. Erwachsene im Bällebad.

Bewegt, wechselhaft und kurzweilig und teilweise beengend, bilden die einzelnen Szene einen Gang durch das Labyrinth des Möbelhaus-Monsters. Sie führen durch die unendlichen Weiten und Tiefen alternativer Lebenswege und beirren in eine Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensrealität. Wer sind wir und wer wollen wir sein? Und vor allem, wer könnten wir sein? Bei IKEA sieht alles gleich aus, ist alles nur vorübergehend, wirkt dadurch so einfach und leicht und zugleich so langweilig und ausweglos. Bei IKEA sind alle gleich und leben doch in ihrer eigenen Welt. Es wird ein Leben vermittelt, in dem alles möglich scheint, ein täuschendes Paradies, das zu Neuanfängen motiviert und damit vor allem zeigt, wie wenig in der eigenen Realität wirklich möglich ist, worin man eigentlich gefangen ist. Und offenbar nicht nur im endlosen Labyrinth eines schwedischen Möbelhauses. Man bleibt schnell in den vermeintlich grenzenlosen Dimensionen voller Möglichkeiten hängen, verirrt sich, sitzt fest und versinkt. Doch dabei gehen die Träume nie verloren. Vielleicht verliert man auf dem Weg ihrer Verwirklichung die eine oder den anderen und manchmal irgendwie auch sich selbst. Die Träume jedoch bleiben. Jeder Weg im Möbelhaus-Labyrinth ist ein Weg, der auch ein Ausweg sein kann. Jeder Ball im Bällebad ist ein Leben, das gelebt werden kann.

Mit dem Stück nehmen uns der Club ü31 und Autorin Rosa Reske (eigentlich seit Jahren auch Spielerin im Club) auf eine Reise durch ein Universum von Parallelitäten und Möglichkeiten, die das Leben so eindrücklich und authentisch auf den Punkt bringen, es infrage stellen, neu betrachten und manchmal wieder zum Leuchten bringen. Die überfordernde Menge an Optionen und Erwartungen gepaart mit einer nicht einmal überspitzten Darstellung bekannter Alltagssituationen und Beziehungsdynamiken, macht einen wahnsinnig und ist dabei so wunderbar normal. Das Leben, der „ganz normale Wahnsinn“ eben, der immer wieder erlöst von ABBA, mitreißt, einen Zauber gewinnt und dadurch gleich viel erträglicher, fast anziehend wird. „Paare bei IKEA“ setzt einen auf eine unglaublich ehrliche Weise vor die Mängel unserer Gesellschaft, die scheinbar ausweglosen Zwänge des alltäglichen Lebens, vor unerfüllte Träume und ungenutztes Potenzial. Eine Konfrontation mit der eigenen Gegenwart und Zukunft und besonders mit einem selbst, die nicht bedauert, sondern viel eher belebt. Denn was bleibt, ist ein Gefühl unerwarteter Leichtigkeit und Zuversicht, das alles offen lässt und alles möglich werden lässt. Der Verlust jeglichen Zeitgefühls und des vorherigen Zustandes, ist die beste Inspiration für Mut zur Veränderung im eigenen Leben, die sogar über eine neue Küchenschublade hinausgeht.


Louisa ist Teil der Jungen Redakteur:innen – ein junges Schreibkollektiv, das Artikel rund um das Festival ClubFusion schreibt.